Danke, Umberto Eco

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Seine Gedankenwelt hat mich fasziniert, diese funkensprühende Bandbreite, gepaart mit Augenzwinkern, Menschlichkeit und warmherziger Klugheit; seine Romane mag ich nicht immer und ausnahmslos. Bei manchen seiner Bücher kam ich über 50, 100 Seiten nicht hinaus, bevor ich sie entnervt beiseite gelegt habe. Dennoch sind Umberto Ecos Werke für mich Kontrastprogramm und Gegensatz zu manchem anderen Denker, der mit sezierendem Intellekt die Welt betrachtet. Ein Betrachtungsabstand zu den Dingen, wie zu einem großformatigen Bild, muss nicht immer mit Coolness und innerer Distanz verbunden sein. Ecos Freude an Sprache, den Bildern im Kopf und am Erzählerischen sind wunderbarer Beleg, wie poetisch, subversiv und überaus lebendig Literatur Menschen fesseln, inspirieren und zur Beschäftigung mit ungewöhnlichen Themen verführen kann.

Weit mehr als seine Romane schätze ich Umberto Ecos Bücher zu Semiotik und Bildwelten: Vor allem »Die Geschichte der Schönheit« sollte ebenso wie ihr Pendant »Die Geschichte der Hässlichkeit« zur Standardlektüre jener Photographen gehören, die sich mit Menschen beschäftigen. Gerade weil Selbst- und Fremdbilder, die merkwürdige Idealisierung von Körper und Jugend so viele Menschen beeinflussen, sie verunsichern, ihnen Komplexe bescheren und mehr. Dabei sind gerade die Definitionen von Schönheit oder Hässlichkeit nie allgemein gültig, sind lebendig und – glücklicherweise! – ebenso eine sehr persönliche Angelegenheit des Betrachters wie stetem Wandel unterworfen, ob in kulturellem Kontext oder mit Blick auf historische oder gesellschaftliche Entwicklungen.

Ein kerniges Zitat von Eco begleitet mich seit langem in einem meiner Notizbücher. Weil es so wahrhaftig ist in seiner Direktheit: »Wenn man sich in seinem Leben mit Dingen beschäftigt, ändert sich ständig alles. Und wenn sich nichts ändert, bist du ein Idiot.« In all seiner intellektuellen Vielfalt, in seinem bisweilen ziemlich subversiven Witz, vielen Interessen, vor allem aber in seiner Fülle an Ideen und Gedanken erinnert mich Umberto Eco an einen anderen Meister der Vielfalt. An Gyula Halász, der unter dem Pseudonym Brassaï vor allem als Fotograf Berühmtheit erlangte – und mit ähnlicher Haltung wie Umberto Eco lebte und arbeitete.

Mit augenzwinkernder Heiterkeit bei gleichzeitig tiefgründiger Betrachtung, mit zärtlich-poetischem und dennoch kritischen Blick auf seine Umwelt, das Leben und dessen kleine und große Dinge. Und mit einer wahrhaft furiosen Bandbreite der Kreativität jenseits der Fotografie, die nur einen Teil seiner künstlerischen Arbeit ausmachte. Brassaï schrieb über sich: »Ich habe mich immer geweigert, mich zu spezialisieren. Ich habe immer viele Dinge gemacht: Fotos, Zeichnungen, Skulpturen, Filme, Bücher… Letztlich ist es eben so schwer, viele Talente zu besitzen, denn jedes einzelne belegt einen mit Beschlag… Man kann sich nur abwechselnd mit ihnen beschäftigen, man muss dabei seinem Instinkt folgen… Ich habe keine Angst, mich dabei zu verzetteln… Ich möchte frei sein.«

Umberto Eco *15. Januar 1932, ✝16. Februar 2016